2015/03/16

Ich weiß mehr über Harry Potter als über Bismarck

Jetzt auch zu Geschichte meine Gedanken vom Vorabend, während ich in der Prüfung sterbe. 

„Bin ich die einzige, die sich unvorbereitet fühlt?“
Es ist Sonntag, der Tag vorm Geschichts-Abi. Oder Deutsch-Abi. Oder Sport-Abi. Je nachdem, welches Opferchen du bist. Und ich bin eben eines der Opfer des Geschichts-LK.
 „Nein, bist du nicht…“, antworte ich Nina.
Denn, ganz ehrlich, seit das Schuljahr 2014/2015 angefangen hat, hasse ich den Geschichtsunterricht. Wenn ich es vorher quälend und ermüdend fand, dann ist es spätestens seit Q4 die Hölle auf Erden.
Q1 und Q2 waren noch relativ in Ordnung – ich fand den Unterricht sogar nicht schlecht. Zwar nicht außerordentlich gut, aber einige Sachen sind hängen geblieben und ich weiß mehr von Deutschlands Hintergrundgeschichte. Yay?
Dann kam aber Q3. Das komplette halbe Jahr von der Weimarer Republik bis zur Potsdamer Konferenz. Dabei sollten wir eigentlich schon längst in den siebziger Jahren sein, mitten im Kalten Krieg. Es ging alles so schleppend voran, mein größtes Problem war nicht einzuschlafen.
Q4 bzw. danach bis EINE WOCHE VOR DEM ABI haben wir den Rest schnell durchgemacht, mittels Referaten, Gruppenarbeiten und zwei Dokus. Ist ja egal, dass das sehr gut mindestens ein Abi-Vorschlag ist. Yolo, huh. 
Haben auch intern die Abi-Vorschläge zusammen getragen: A) Frauenfrage, B) Deutschland nach 1945 und C) EU. Ratet, was wir nicht ausführlich (oder gar nicht) behandelt haben. 
Jedenfalls sitze ich hier und bin kurz vorm Heulen. Teilweise bin ich froh, weil dann habe ich die beschissenste schriftliche Abi-Prüfung hinter mir und muss (hoffentlich) nie wieder was von der Sozialen Frage hören. Andererseits bin ich am Rande des Wahnsinns, weil meine Texte kacke sind, ich kaum Daten auswendig kenne, ich es schaffe die gegebenen Quellen zu missverstehen, weil ich anscheinend immer die Aufgaben falsch anpacke. Manchmal habe ich das Gefühl, mein Geschichtslehrer hasst meine Texte und würde sie gerne verbrennen. Das beleidigt mich nicht, aber es stresst mich, dass es quasi egal ist, wie viel ich gelernt habe und wie viele Fakten ich kenne, ich kriege höchstens acht Punkte und selbst dafür haben sich bestimmt ein Dutzend Engel aufgeopfert, drei Wunder haben sich zu diesem einem Wunder zusammen geschlossen und eines der im Versteck lebenden Einhörner ist eingegangen, beim Regenbogen kotzen, obwohl ihm noch die halbe LGBT+Gemeinde die Stärke und Liebe dafür gesendet hat. DAS IST KEIN VERDAMMTER WITZ. ICH KANN NICHT DARÜBER LACHEN. MICH STRESST DAS VERDAMMT. Ich sehe mich dann wie ein comichaft gezeichnetes Ding, mit Kreisen als Augen und Punkten als Pupillen, ohne Nase und Mund, in einem grauem Pullover und wilden Locken und auf dem ganzen Gesicht sind Schweißflecken zu sehen und in diesen sarkastisch-kleinen Pupillen liest man die pure Verzweiflung, den rohen Wahnsinn und die Mordlust von Voldemort.
Ich weiß nicht mal, wie ich mich bitte beruhigen soll! „Haha, wir hatten noch nie Daten gebraucht!“ Oder „Lass ich halt die Zeit nach 1945 raus!“ – und selbst dann bin ich noch kurz davor, mein Herz aus dem Brustkorb zu reißen.
Also wenn ich bei Englisch nur leicht nervös war, werde ich vor Geschichte kotze, nach Erhalten der Vorschläge in Ohnmacht fallen und nachdem ich mich durch A, B oder C gequält habe, spring ich von der Brücke ins eklige Wasser und starte mein Leben als Gummiente.

(Ich weiß, es klingt sehr schlimm und ich fühle mich auch nicht besonders gut, aber ich muss da durch. Egal, wie vorbereitet ich mich dafür fühle. Ich will es einfach nur hinter mir haben und nie wieder daran denken, dass ich Geschichte als  Leistungskurs genommen habe.)

2015/03/13

Liebes Tagebuch, heute habe ich angefangen meinen Kopf zu essen!

Mittlerweile weiß ich gar nicht, mit wie vielen Personen ich über mein Abitur gesprochen habe. Sei es Mama, Tori, Julia oder gar ich selbst – immer wieder spürte ich den Anflug von Panik und die gleichzeitige Ruhe in mir. Und ich frage mich immer noch: Wie geht das??????
Da ist nämlich dieser einer Teil von mir, der rumschreit, und ein weiterer Ich-Teil sitzt seelenruhig da oder weigert sich Rosa Parks-haft, sich von der Panik anstecken zu lassen.
„Steh jetzt SOFORT auf und mach etwas für Geschi!“
„Nein.“
„WILLST DU DENN GAR NICHTS UNTERNEHMEN?!“
„Nö.“
„Okay, nochmal von vorn, klar und deutlich: Ist dir bewusst, dass es egal ist, WAS du willst und WAS du macHEN MUSST???“
„Ja. Ich hab alles vor Augen. Du hältst schließlich keine Sekunde deine Klappe.“
Ich kann beide komplett verstehen, weil es ja meine Stimmen sind.
Einerseits bin ich voller Panik und Schuldgefühlen, dass ich so spät mit „Lernen“ (falls man das überhaupt so nennen darf) angefangen habe. Andrerseits denke ich mir: eigentlich kann ich’s doch. Englisch sollte nicht allzu schwer sein; Geschichte hab ich grob im Kopf und mit dem Auswendiglernen zwei Wochen vorher anzufangen wäre sowieso sinnlos; Mathematik ist ebenfalls nicht so schwer – also, wozu die Panik?
Und genau diese Keine Sorge, ich hab ’n Plan-Einstellung bereitet mir noch mehr Schuldgefühle. Schließlich mache ich nicht viel und wenn, dann ist es stumpfsinnig???? Aufzeichnungen angucken, in der Formelsammlung markieren und schöne Begriffe aus dem Englischen aufschreiben – ob mir das wirklich so viel weiterhelfen wird, ist anzuzweifeln.

Es fängt an mit Englisch. Tortilla Curtain, Othello, Slaughterhouse-Five, Death of a Salesman, Brave New World, Educating Rita, etliche Kurzgeschichten, American Dream, South Africa, Utopien – bin schon seit Wochen gespannt, was genau dran kommt und welchen Vorschlag ich nehmen werde.
Es folgt Geschichte. Ich lerne vom Wiener Kongress bis zum Potsdamer Abkommen, mit einem großzügigen Herauslassen vom Ersten Weltkrieg, die genau wie die Französische Revolution unwichtig erscheint. Ich werde den Vorschlag nehmen, bei dem ich am meisten weiß und am meisten einbringen kann. Ich werde versuchen, mindestens 1500 Wörter zu schreiben, auch wenn ich Herr Jonas mit 10000 Wörtern gedroht habe und deswegen eigentlich Rezepte und Briefe in meine Klausur einbauen wollte. Am allerwichtigsten: Ich werde nicht in Panik verfallen, einfach mein Wissen schriftlich teilen und aufs Beste hoffen.
Das schriftliche Abitur endet für mich schon am Mittwoch mit Mathe. Mein Ziel: So viele Aufgaben wie möglich erledigen, keine Zeit mit unnötiger Panik und Schusseligkeit vergeuden und besonders darauf achten, keine Hetzfehler zu machen. Denn ich kann Mathe, ich verstehe Mathe und ich bin gut in Mathe. Mein Mathe-Mantra.

Danach bin ich fürs erste frei. Danach kann ich nur noch auf die Ergebnisse warten; hoffen, bestanden zu haben, und schon seelisch für das mündliche Abi vorbereiten.
Ach und dauerhaft weinen vor Erleichterung!