2012/03/28

good old stories



„Ich weiß noch, wie Oma immer ihre Zähne raus geholt hat, sie mir zeigte und dann fragte: ‚Siehst du da was? Ist da was?‘.“
Tori zieht eine angeekelte Miene, grinst jedoch.
„Und sie liebte es, die Vögel zu füttern.“
Mama liegt da, lächelt irgendwo ins Leere.
Ich liege auf ihrer linken Seite, mein Kopf gestützt auf meiner rechten Hand. Ich höre den beiden zu, schnappe alles auf, versuche mich zu erinnern.
Oma.
Ich weiß nur noch von Bildern, wie sie aussah. In meinen Erinnerungen finde ich sie nicht.
Ich sehe ein altes, hölzernes Haus, mit einer dreckigen und ebenfalls hölzernen Tür. Das Gras ist gelblich grün, hier und da liegt irgendetwas Braunes. In der Ecke dieses Bildes sehe ich alte, dürre, trockene Bäume, blätterlos.
Dieses Bild ist genauso schnell weg, wie es kam.
Aber es kam scharf und deutlich. Vertraut irgendwie.
Plötzlich sehe ich ein Zimmer. Die Tapeten sind weiß mit einem Stich von lila. Es hat ein Blumenmuster. In der Ecke vor einem Sofa steht ein älterer Mann.
Ich sehe eine jüngere Mama. Sie schreit eine ältere Frau  an. Diese Frau sieht aus wie Oma von dem Bild, das mir immer ins Gedächtnis schießt, wenn ich an Oma denke.
Sie streiten sich. Oma hat Diabetes. Trotzdem isst sie Zucker. Das habe ich jedenfalls verstanden.
Als ich klein war, vier oder fünf Jahre alt vielleicht. Wenn nicht jünger. Wie alt war ich überhaupt, als sie starb?
„Opa ist immer weg, wenn wir bei Oma waren“, höre ich Tori.
Opa?
Der Mann vom Sofa?
„Er war nicht gesellig.“
Opa.
Es herrscht Ruhe.
Mama will nicht reden. Tori weiß nicht mehr, welche Erinnerung sie schon erzählt hat.
Also bin ich an der Reihe.
„Ich sehe Oma mit mir spielen, mit kleinen Autos. Auf einem runden Holztisch, der vor dem Sofa steht.“
Mir wird mal wieder bewusst, wie wenig ich doch weiß.
Verdammt.

2012/03/18

Solala


Seit Freitag steht Muchos käfig jetzt in meinem Zimmer und OH MEIN GOTT ich werde ihn grillen, wenn er JEDES WOCHENENDE UM PUNKT ZEHN UHR ANFÄNGT ZU SCHREIEN.
Da lag ich heute im Bett, frische zehn Uhr, gute acht Stunden geschlafen (coldmirror spielt nämlich Harry Potter :D), UND DIESER HOSENSCHEISSER FÄNGT AN MIT SEINER VERDAMMTEN GLOCKE ZU SPIELEN.
Habe dann aber wegen den Hausaufgaben und den Arbeiten, für die ich lernen muss(te), ein Auge zugedrückt und ein „Danke, Verräter“ gebrummt.
Wieso Verräter?
Weil er ständig aus unserem Zimmer rausfliegt, nur um bei Tori zu sitzen. Aber kaum ist es bei ihr zu kalt oder zu langweilig, bin ich die wichtigste Person auf Erden. Aber nur solange ich ihm die Maus oder meine pisswarme Hand überlasse.
Gestern habe ich sogar aus Spaß ein Drama abgezogen als er weggeflogen ist:
„Na warte bis du wieder angekrochen kommst, du Schwein!“
Wenigstens Tori hat gelacht.

2012/03/05

quälende Erinnerungen


Papa hatte zu viele Aufgaben für mich, also beschloss ich, eine Pause zu machen.
Ich setzte mich in einen der alten Gartenstühle und betrachtete den Boden.
Erinnerungen kamen hoch.
Von einem Winter, indem ich mit Tori und ihrer Freundin Kim zu faul waren, fürs Schlittenfahren einen Berg hochzusteigen und stattdessen durch den Garten getollt sind.
Von einem heißen Sommertag nach der Schule, den ich mit Tori und Mama verbrachte; wir haben Mensch ärger dich nicht und UNO gespielt, bis Mama ihr Lieblingskartenspiel herauszog und ich mich mit meinem Harry Potter auf die Bank zurücklehnte, ohne zu merken, dass eine Spinne mein Bein hochkrabbelt, bis Mama auf meine Frage, wieso sie mir einen so heftigen Klaps auf die Oberschenkel gab, reine Wortkotze entgegenbrachte.
An die vielen Grillabende, an denen ich Stücke von Fleisch oder Würsten auf den Boden fallen ließ, weil ich wusste, dass Mursik sie mit großen Augen betrachtete.
Mursik.
Wie gerufen kam er angetanzt.
Er lief schnell und gezielt.
Ohne lange nachzudenken sprang er gerade aus in meinen Schoß und schmiegte sich an mich, mit einem verträumten Schnurren, lauter als ein Motorrad.
„Mein Lieber, ich…“, fing ich an, mit ihm zu reden – als Papa mich rief. Er brauchte mich wieder.
Mursik sah mich mit ernsten Augen an. Ich sah die Fragen darin.
Er ist ein verdammt schlauer Kater.
„Wir reden später weiter“, hatte ich traurig gelächelt und ihn nach einer kurzen Umarmung auf dem Boden abgesetzt und bin zu Papa gerannt.
Wer hätte gedacht, dass dies meine letzte Begegnung mit ihm war?