Wenn man mich im richtigen Leben sieht, kann man vieles
feststellen. Dass ich oft laut und frech werde und es manchmal dazu kommt, dass
ich die Decke panisch anschreie. Dann bin ich oft sehr ruhig und starre ins
Nichts, mit Augen, die nichts zu verkünden scheinen, aber in Wirklichkeit viel
Scheiße zurückhalten. Oder ich sitze einfach da, total gelangweilt, im Kopf an
einem Ort, wo alles schön ist.
Man könnte von Weitem meinen, ich sei stark, weil ich
eigentlich immer lache oder schief grinse, manchmal mitten im Unterricht
anfange zu schmunzeln oder irgendetwas Witzige mache, wenn jemand schlechte
Laune hat, und darauf scheiße, ob’s eben peinlich war oder nicht. Ja, ich bin
selbstbewusst, weil ich sehr oft mal eben den Freak spiele. Okay, eigentlich bin
ich ein Freak. Und weil ich mal eben meine Meinung sage und mich dafür
nicht schäme. So wie ich manchmal nach einer falschen Aussage plötzlich „UPS!
Tut mir Leid!“ lache, während mich die meisten dann verstört angucken, weil ich
nicht den Schwanz einziehe, weil es grad eben peinlich war, nein, sondern weil
ich darüber lache, mich über mich selbst lustig mache. Ich mag – man kann es
manchmal auch als lieben definieren – mich, so wie ich bin, aber trotzdem bin
ich mein schlimmster Feind. Denn meistens bin ich selber Schuld, wenn ich im
Schlamassel sitze oder jemanden vergraule. Ich bin selber Schuld, wenn
irgendetwas schief läuft. Ich sabotiere mich selbst.
So viel dazu.
Eigentlich bin ich stark. Schließlich ist es mir egal,
wenn jemand, den ich nicht kenne, mich angeekelt anstarrt, oder jemand aus der
Schule mich böse anfunkelt. Es ist deren Problem, wenn sie was gegen mich haben
und nichts dagegen unternehmen, nicht meines. (An dieser Stelle muss man sich
mich vorstellen, wie ich mit den Schultern zucke und mimisch und gestisch
zeige, dass es mir vollkommen wurscht ist.)
Aber ich hab Schwächen. Und Narben, die man zwar nicht
von außen sieht, aber die tief im Gedächtnis und auf der Seele sitzen.
Zum Beispiel merkt man nicht auf Anhieb, dass ich Angst
vor all zu viel Nähe habe. Immer, wenn ich kurz davor bin, mich mit jemand
richtig eng anzufreunden, mit dem man Geheimnisse und Wünsche teilen kann, dann
sabotiere ich mich selbst. Ich mach irgendetwas Dummes, sage etwas Dummes oder
bin einfach die Dumme.
Bei Jungs ist das noch schlimmer; da werde ich extrem
verzweifelt – und wenn jemand noch behauptet, wir wären ein Paar, bin ich
vollkommen hilflos.
Wieso habe ich kaum Freunde? Richtige Freunde?
Nicht einfach nur Leute aus der Schule, die mich gespielt
nett anlächeln, wenn ich sie kurz betrachte.
Ich will, dass sie mir ehrlich zurücklächeln. Oder
wenigstens ehrlich böse gucken.
Klar hab ich Leute aus meiner Klasse und Jahrgang, auf
die ich mich verlassen kann.
[…]
Komischerweise sind das alles Personen, mit denen ich
eine gewisse Ähnlichkeit habe. Nicht vom Aussehen. Aber vom Hobby oder der Art
und Weise oder der Vorlieben.
Trotzdem fühle ich mich so oft allein und unbeholfen.
Wie zum Beispiel im Konfi-Unterricht. Ich kam zwar mit
eigentlich jedem ziemlich gut zurecht, aber hatte nie jemanden, der wirklich
hinter mir stand oder mich verstand. Keiner wusste, wie ich bin, konnten sich
nicht an mich gewöhnen, da man sich nur einmal in der Woche sah, und wurde
immer verstört angestarrt, wenn bei mir mal wieder die Sicherungen
durchgebrannt sind.
Oder wenn die Leute, die ich oben aufgezählt habe, nicht
in meiner Nähe sind.
Als Jenny zum Beispiel nicht da war, fühlte ich mich
verloren.
Das liegt vielleicht daran, dass ich nie wirklich gelernt
habe, mit normalen Leuten oder Leuten, deren Meinung ich nicht wirklich schätze,
zu reden. Es kostet mich immer noch Überwindung zu Personen aus anderen Klassen
zugehen und mich mit ihnen zu unterhalten, da sie über Dinge reden, bei denen
ich nur mit weit aufgerissenen Augen zuhören kann. Während sie also über
Alkohol, Ex-Freunde, Partys und wilder Knutscherei reden, atme ich nicht. Denn
es ist so, als sei ich auf einem anderen Planeten gelandet, dessen Luft ich nicht
atmen kann. Was, du hast dich betrunken?
Was hast du denn getrunken? Wodka?! Wie kann man denn mit 14 an sowas bitte
rankommen? Ah, falscher Ausweis, viel Schminke, ach so, verständlich! Nein, der
Kerl hat dich ernsthaft da angefasst? Krass, bin ich neidisch! Und – oh Gott,
nein! Dein Freund hat das ernsthaft gesehen und dich daraufhin als Schlampe
bezeichnet? Was ein Arschloch! Der verdient ne Ohrfeige, meine Liebe!
Das ist nichts für mich. Für Alkohol fühl ich mich nicht
verantwortlich genug, ich hatte noch nie einen Freund oder gar den ersten Kuss,
Partys kann ich nicht leiden und unter Rumknutschen verstehe das Ablecken vom
Gesicht des anderen.
Okay, ich könnte zwar da stehen und so tun als ob. Aber
das wäre gelogen und erfunden. Und das verächtlich ablehnen mach ich auch
nicht. Da käme ich mir wie eine Diva vor. Nein,
ich möchte kein Bier! Können wir jetzt bitte über meinen Kram reden, den ihr
unsensiblen Affen nicht verstehen könnt? Nein, keine Widerrede! Großartig!
Man sehe, ich komme mit sowas nicht klar.
Es ist zwar jetzt nicht so, dass ich andere deswegen in
die Hölle schicken würde oder so – nein, schließlich ist es deren Sache, was
sie machen. Bloß ich hab ernsthaft keinen Plan, wie ich mich mit denen messen
soll. Wenn ich ankomme und mit „Ich hab neun Leser auf meinem Blog!“ prahlen
würde, würde man mich in die Klapse stecken. Oder für Voll nehmen.
Deswegen bin ich eher zurückhaltend mit meinen Dingen.
Außer bei Leuten, die das über mich wissen.
Es ist beinah so, als würde ich die anderen vor mich
beschützen. Nein, freunde dich nicht mit
mir an, weil ich eigentlich das totale Opfer bin und wenn man dich mit mir sieht, bist du ebenfalls
eins und wirst nie eine super Zukunft haben, also renn weg, flieh vor mir,
bevor uns noch jemand sieht!
Aber ich hab mich damit abgefunden. Ich weiß, dass ich
anders bin, und find’s toll so. Die Anderen gibt’s schon, also bin ich Alex und
bleib auch so! Egal, ob es jemanden meckern soll.
Aber ich bin jetzt nicht so wie diese ganzen Mädchen, die
ihre hirnverbrannten Fotos und Leidensgeschichten im Internet veröffentlichen,
alles unter ihren Erst- und Zweitnamen, da sie ja das Einzige, das Originale
sind. Ich steiger mich da nicht rein und schreibe überall meinen Namen hin und
fange an, mit meinen Werken und sonst was zu bombardieren. Nur auf was ich echt
stolz bin, das teile ich manchmal auf Facebook oder so. Sonst ist mein Link für
meinen Blog oder für tumblr zwar auf meiner Seite, aber ich teile den Link
nicht jede fünf Minuten mit der Aufforderung „LOS! GEH AUF DEN LINK UND GUCK
DIR MEINE GEILE SCHEISSE AN! ICH BRAUCHE KLICKS, DAMIT JEDER WEISS, DASS SICH
ANDERE LEUTE ERNSTHAFT MEINE SACHEN REINZIEHEN UND ICH SOMIT EIGETNLICH WAS
AUFM KASTEN HABE!“. Wenn jemand auf meinen Blog stößt: Hey, cool. Wenn du magst, bleib hier. Wenn’s dich langweilt (so wie
mich manchmal), ich hab da paar Links, die zu anderen, coolen Seiten führen.
Und nein, da lauern keine Viren oder Trojaner, keine Sorge. Und ja, meine
plötzlich Freundlichkeit verunsichert mich auch gerade zutiefst. Vergessen wir
es einfach, okay? Danke.
Was ist dann eigentlich mein Problem?
[...]
Man, wieso schreib ich bloß so einen Scheiß?
Ich weiß nicht, ob ich die ausgelassenen Punkten doch füllen sollte. Irgendwie sind sie ja gut und hochmelodramatisch geschrieben, beinhalten aber auch zu viele Informationen und Provokation.
Alex, ich finde dich sehr sympathisch. Und das MUSS ich nach diesem Text sagen, weil er es nochmal um so deutlicher macht. Du bist ein Mensch nach meinem Geschmack.
AntwortenLöschenWas ich interessant finden würde wäre eine Gegenüberstellung oder einfach deine gegenwärtigen Gedanken dazu. Siehst du die Dinge heute noch in allen Punkten genau so? Was hat sich verändert. Kannst du einige Punkte deines Textes heute differenzierter betrachten dadurch, dass du reifer (? Man weiß ja nie :D)geworden bist?
Was deine ausgelassenen Punkte angeht, kannst du sie ja inhaltlich öffentlichkeitstauglich anpassen. ;)
Ich weiß grad wirklich nicht, was ich dazu sagen soll; ich hab sogar den Text nochmal durchgelesen, um sicher zu gehen, ob wir auch vom selben Post reden.
LöschenAber eins weiß ich: Ich bin so mega geschmeichelt, dass ein einfaches, doofes und langweiliges "danke" nicht reichen könnte, um zu zeigen, WIE sprach- und atemlos ich dasitze. Denn wie gesagt: ich = Opfer, laut Jugendsprache.
Falls ich demnächst Zeit finde, versuche ich mich mal an so einem Text nur aus der heutigen Sicht, versprochen! Der wird zwar - das weiß ich jetzt schon, oje - viel ausschweifender und zynischer und vor schlechtem Humor überfüllt sein, aber so ist halt mein Leben: melodramatisch.
Das hab ich schon versucht :o Namen weggekürzt und die unwichtigsten Sachen ausgelassen; vom Inhalt könnten mir aber trotzdem (ehemals) nahe stehenden Person auf die Spur kommen. Wahrscheinlich werde ich es umschreiben.
Und DANKÖÖÖÖÖÖÖÖÖ >___<
so viel zum thema niemad würde je einen tagebucheintrag von dir lesen! ich würde mich nie trauen so offen und ehrlich zu schreiben und dafür bewundere ich dich so sehr(:
Löschenwir sollten eine selbsthilfegruppe gründen: motivationslose blogger oder sowas (: