"Ich hab kein Bock mehr auf dich, du Spast, ich geh jetzt!", ahmt er einen Gänxta nach. Dann setzt er eine übertrieben freundliche Stimme an: "Bis morgen!"
"Bis morgen!", quietsche ich zurück, füge aber entnervt "Spast" hinzu.
Grinsend und nickend gehen wir in unterschiedliche Richtungen. Jan nach Hause, ich zum nächsten Haus, da ich Zeitungen austrage.
Es war purer Zufall, dass wir uns im Dunkel des Abends auf der leeren Straße getroffen haben. Aber es freut mich sehr.
25/09/12
20/09/12
Walisischer Harry Potter
Jenny und ich
stehen in unserem ganz alten Schulhaus, verabschieden uns, da wir in
unterschiedliche Richtungen gehen müssen – Jenny nach Hause, ich zum Raum des
Cambridge-Kurses.
Doch ein Teil des
Kurses kommt mir schon entgegen, aus der Richtung unseres Raumes.
„Äh…?“, mache ich
laut.
„Wir sind heute
im Sprachlabor“, informiert mich Edwin.
Das macht Sinn,
schließlich stehe ich vor genau diesem Raum.
Langsam tauchen
weitere Teilnehmer auf – aber auch Patrick und Maurice, die ebenfalls auf dem
Heimweg sind.
„Haha, ihr habt
noch zwei Stunden Schule!“, lacht uns Patrick aus. Er wirkt sehr schadenfroh.
Maurice dagegen
schaut böse in die runde.
„Du bist doch nur
eifersüchtig“, rufe ich ihm entgegen – doch es ist Maurice, der mit entgegnet
und meine Theorie bestätigt.
„Halt’s Maul!“
Statt beleidigt
oder gekränkt zu sein, unterdrücke ich mir ein böses Lachen.
„Wir sind heute
im Sprachlabor, da ich den offiziellen Film der Cambridge University habe und
euch zeigen möchte, wie es so in der Prüfung aussehen kann“, erklärt und Frau
Keller auf Englisch und betastet die Fernbedienung.
Am Anfang erklärt
uns eine der Prüfer, was die Aufgabe, dann sehen wir zwei Teilnehmer der
Prüfung – eine Deutsche und ein Deutscher.
„Boah, der ist so
geil, den will ich mir mal ausleihen!“, hör ich Marvin neben mir in der
hintersten Reihe.
Als wir diesen
Teil der Prüfung zu Ende gesehen haben, stellt uns Frau Keller Mike vor:
„Mike ist für ein
Jahr in Deutschland und wird uns beziehungsweise euch beim Lernen zur Seite
stehen.“
Mike, ein großer,
hagerer Kerl mit Brille und weitem Pullover steht auf, stellt sich vor und
warnt uns, dass er mit uns auf Englisch sprechen wird, da er Deutsch nicht
könne.
„So ein Blödsinn“,
geht Frau Keller dazwischen. „Sein Deutsch ist hervorragend.“
Wieder im
eigentlichen Kursraum teilt Frau Keller einen Zettel aus, auf dem sich die
Partner für den Speaking-Part der Prüfung aufschreiben sollen.
„Machen wir?“,
fragt Marvin.
Ich freue mich
und stimme sofort zu.
Nachdem die
ersten zwei Partnergrüppchen vom Gespräch mit Mike wieder da sind, schickt Frau
Keller Marvin und mich mit Mike raus – wir sind an der Reihe.
„Seid ihr nervös?“,
fragt Mike auf dem halben Weg.
„Ach, ein
bisschen“, gestehe ich es ein.
„Brauchst du
nicht – ich schick euch ja schließlich nicht zum dreiköpfigen Hund aus Harry
Potter!“
Wir müssen
lachen.
Vor dem
Seminarraum bleiben wir stehen. Mike schließt ihn auf, betritt das Zimmer und
wir folgen ihm. Ich mache die Tür sachte zu.
Mike sitz an der
Wand, uns zu gewandt. Zwischen uns ist ein Tisch auf dem Tischdeckchen liegen –
und eine Schraube.
„Also, ich stelle
mich zuerst vor. Vielleicht fällt es euch dann einfacher. Schließlich müsst ihr
in diesem Teil der Aufgabe euch vorstellen und dann auf eine Frage antworten.“
Mike ist in Wales
geboren worden, spricht also neben Britisch Englisch auch noch Walisisch.
Außerdem kann er auch noch Chinesisch. Er ist 20, ist für ein Jahr in
Deutschland, hilft dabei unserem Cambridge-Kurs und weiteren Englisch-Kursen
des Q3-jahrgangs, manchmal auch in den Deutsch-Kursen, da er später Deutsch
lehren will.
Dann bin ich an
der Reihe: Ich erzähle ihm, wie alt ich bin, wie ich heiße, wo ich geboren bin,
wie lange ich dort gelebt habe, wie viele Sprachen ich sprechen kann, von
unserer Einreise aus Kasachstan nach Deutschland, dass ich die ersten zwei Jahre
in der Nähe von Berlin, dann im Nachbardorf und jetzt in dieser Stadt lebe. Ich
erzähle von Mucho und dass ich gerne lese. Ich habe so viel erzählt, dass ich
nicht einmal mehr weiß, was genau ich gesagt habe. Aber ich weiß: Ich habe
nicht alles erzählt. Ich habe das Schreiben weggelassen, die Theater AG, das
Bloggen und meine Sehschwäche. Aber wie gesagt, ich habe so viel geredet, dass
ich dann einfach abrupt aufgehört habe.
Marvin erzählte
ebenfalls nicht wenig: von seinen Eltern, seiner Katze, seinem Bruder. Von seinen
Lieblingssendungen im Fernsehen und dass er sie viel lieber auf Englisch guckt.
„Stimmt, im
Original sind die besser“, stimmt Mike zu. „Da klingen die nicht so komisch. In
Big Bang Theory sprechen die deutschen Synchronsprecher zum Beispiel das ‚Bazinga‘
extrem komisch aus. Im Englischen ist es viel cooler.“
Mike fällt dazu
eine Geschichte ein: „Ich hab letztens mit meinem Vater geschrieben – dass ich
ihn vermisse. Er hat dann zurückgeschrieben ‚ich dich auch‘ und ich dann ‚echt
jetzt?‘ und er so ‚Bazinga!‘.“
Schon wieder
müssen wir lachen.
Dann folgte die
Frage: „Was kann man in dieser Stadt machen, denn jedes mal, wenn ich jemanden
frage, schlagen sie mir McDonald’s vor, aber da will ich nicht hin.“
Die Frage ist für
mich ein Problem:
„Ich gehe selber
selten raus, weil ich auch nicht weiß, was man hier bitte machen kann. Aber
wenn ich dann doch unterwegs bin, dann mit dem Fahrrad einfach durch die Stadt
düsen oder mit Freunden in diese billigen Geschäfte gehen und sich zum Beispiel
verrückte Hüte anziehen und sich drüber lustig machen. Keine Ahnung wieso.
Wahrscheinlich weil mir die Stadt zu langweilig und unschuldig ist, wie ein langweiliger
Film oder ein langweiliges Buch. Ich muss mich darüber lustig machen, sonst
wird es mir zu doof hier.“
Zu meiner
Überraschung findet Mike meine Antwort gut und witzig, originell.
Nachdem auch
Marvin für ihn etwas vorgeschlagen hat, will Mike von uns wissen, ob wir noch
Fragen (bezüglich der Prüfung) haben.
Also hebe ich die
Schraube, die vor mir auf dem Tisch liegt, und frage vollkommen ernst:
„Von welchem
Stuhl ist die? Von meinem oder Marvins?“
Schon wieder sind
wir am lachen – vor allem, da Mike gesteht, dass sie ihm aus dem Tisch gefallen
sei.
Mike hat mir außerdem noch gesagt, dass ich brilliant English spreche.
19/09/12
Schwein gehabt
„Wo sind denn die
anderen?“, fragt mich Jenny und schaut sich dabei in unserem franz-Raum um. Nur
unsere Klasse ist anwesend.
„Die haben
Wandertag“, antworte ich ihr. Vorhin hab ich noch Lea und Louisa gesehen und
ihnen Spaß gewünscht, da sie selber nicht wissen, wohin es eigentlich hingeht.
Herr Schwade
kommt herein, sein Koffer vor sich schiebend und diesem Ausdruck von „Schon
wieder die hier“, stellt seine Sachen barsch ab und geht plötzlich auf mich,
nachdem wir alle aufgestanden sind um uns zu begrüßen.
„Alexandra, Herr
Party will mit dir sprechen.“
Obwohl mir nichts
einfällt, was ich hätte falsch machen können, wird mir schlecht. Oh Gott, was
hab ich getan?
„Warte“, setz
Herr Schwade nach, „du bist doch Alexandra Sparrow, oder?“
Meine Panik
schwindet zu Unglauben. Echt jetzt? Ein Monat Schule und du weiß immer noch
nicht, wie ich heiße?
„Ja. Ja, bin ich.“
„Na dann geh, er
wollte mit dir noch in der ersten Stunde sprechen“, lächelt er mir aufmunternd
zu, obwohl alle wissen, dass Herr Party als Stellvertretende Direktor
eigentlich der strenge, aber faire Direktor ist. So wie Professor McGonagall.
Noch bevor ich
den ersten Schritt setze, fällt mir noch was ein.
„Äh, Herr
Schwade, wo liegt denn sein Büro?“
„Ach, das ist
gegenüber dem Sekretariat.“
„Aha. Na dann
frag ich dort einfach mal“, gestehe ich laut ein, denn so wirklich geholfen hat
er mir nicht.
Mit schnellen
Schritten gehe ich zur Tür, mach sie auf und stürze beinah raus. Als sie wieder
zu ist, drehe ich mich auf den Fersen Richtung Sekretariat und bete, dass
Herr Party mit mir Nachsicht haben wird – was auch immer ich bitte schön getan
habe(n soll).
Starr vor Schreck
laufe ich wie ein Roboter, laufe an ehemaligen Klassenkameraden vorbei und
versuche mich zu beruhigen, was aber nicht sonderlich gut klappt.
Am Lehrerzimmer
vorbei, einem unbekannten Lehrer einen guten Morgen wünschen (Was, wenn ich ihn
in Zukunft haben werde? Naja, falls…), die Treppe vor der Aula runter, nach
rechts, drei Treppenstufen überfliegen und im Sekretariat nach Herrn Partys
Büro fragen.
„Die ist hier die
kleine Treppe rauf, gleich links“, lächelt mir die Frau zu, dessen Name ich
immer wieder vergesse. Sie macht denselben Eindruck wie Herr Schwade: ermutigend,
ermunternd, Mut zu sprechend. Es fehlt nur noch ein „Alles wird gut, Liebes“,
dann wäre ich mir sicher, dass ich am Truman-Show-Syndrom leide.
Wieder draußen
sprinte ich die drei Treppenstufen rauf und sehe sofort die Tür, die ich zum
ersten Mal deutlich bemerke.
Groß, unnatürlich
weit, im selben beigen Ton lackiert, mit einem kleinen schwarzen Täfelchen am
oberen Rand markiert: Herr Partys Büro. Die Nummer hab ich schon wieder
vergessen.
Des Atmens nicht
fähig klopfe ich ängstlich, aber fest an der Tür. Ein „Herein!“ folgt ohne
Pause.
So wütend klingt
er gar nicht, spreche ich mir selber Mut zu.
„Guten Morgen“,
wünsche ich dem stellvertretendem Direktor atemlos.
„Guten Morgen,
Alexandra“, wünscht er mir zurück. Sieh mal an, gut gelaunt? „Setz dich doch.“
Ich setze mich,
mit den Nerven zum Zerreißen gespannt auf mein Schicksal.
„Ich weiß nicht,
ob du davon schon mal gehört hast, Alexandra“, fängt Herr Party an, „aber wir
haben an der Schule eine Stiftung.“
Er legt eine Pause
ein und schaut mich erwartungsvoll an.
„Okay?“, kommt es
aus mir heraus, meiner Meinung nach zu laut und zu respektlos gegenüber Herr
Party.
Kommentarlos
redet Herr Party weiter. Er erzählt mir von der Stiftung, die Schüler für besondere
Leistung belohnen, und dass Frau Kiwitz dem Vorstand der Stiftung vorgeschlagen
hat, mich für meine „hervorragende Leistungen und mein Engagement im Wahlfach
Theater“ ebenso zu belohnen – mit der Übernahme der Kosten für die Teilnahme am
Workshop des Schauspiel Frankfurts im nächsten Jahr.
„Heilige Scheiße“,
ist mir beinahe ausgerutscht. Stattdessen strahle ich vor Freude, bedanke mich
bestimmt drei Mal bei Herrn Party, der mich deswegen extra persönlich sehen wollte
– um mir persönlich zu gratulieren (während des Händeschüttelns kommen noch ein
paar Dankeschöns hervor).
„Am 10. November
sind deine Eltern zum Stiftungsfest eingeladen – an dem Abend wird dir und
Herrn Jan Snefga, den du sicherlich kennst, die Urkunden verliehen.“
Ich fange noch
mehr an zu grinsen. Jan auch? Das ist mehr als großartig. Das ist superduper
mega hammer goil.
Herr Party
überreicht mir noch den offiziellen Brief und schüttelt mir noch einmal die
Hand.
„Wir sehen uns
spätestens am Abend des 10. Novembers“, lächelt er mir fröhlich zu. Es sieht so
aus, als wäre ich nicht die einzige, die vor Freude (und der späten
Erkenntnis von Erleichterung) gleich in die Luft springt.
Als ich in der
Tür stehe, wünsche ich ihm noch einen schönen Tag und stoße mir hörbar die Tür
an den Fuß, was mir aber nichts ausmacht.
Vor Freude renne
ich fast zum Franz-Raum, darauf bedacht nicht schallend loszulachen. Ich hab
gedacht ich krieg eine saftige Bestrafung! Wie paranoid kann ich nur sein?
Mein
Wiederauftauchen bleibt unkommentiert, nur Jenny fragt, was Herr Party von mir
wollte.
„Erzähl ich dir
später“, flüstere ich zurück, fange aber kurze Zeit später an, alles auf einem
Schmierblatt zu schreiben und schiebe diesen ihr dann zu.
Ich schaue ihr
beim Lesen zu, bin gespannt auf ihre Reaktion. Doch es kommt keine.
Toll. Meine
Freude kriegt einen kleinen Dämpfer, kommt aber wieder zurück als ich in der
Pause den Brief aufmache und die erste Zeile lese:
Auszeichnung als Stipendiatin der Stiftung
Ozean-Gymnasium
Herr Schwade bemerkt
mich, fängt an zu lächeln. „Für jemanden, der von Herr Party zu sprechen gewünscht
wurde, siehst du sehr glücklich aus.“
Als Antwort lächele
ich einfach nur glückselig.
18/09/12
Spatz
Es ist
Donnerstag, erste Stunde, Französisch.
Herr Schwade
spricht und spricht, wieder vom Thema abgekommen – bis er wieder zum vorherigen
greift. Der hat vielleicht ein Gedächtnis, ich selber kann da kaum mithalten.
Jeden Abend
erinnere ich mich daran meine Allergietablette zu nehmen, obwohl es schon
längst September ist und es somit eigentlich Schluss sein sollte, aber nein,
Alex ist Dauerallergiker. Bis die Tablette aber wirkt dauert ein Stück.
Also sitze ich im
Franz-Raum, Gedanken verloren zuhörend – bis ich anfange zu niesen. Wenn ich
mich richtig erinnere, waren es drei Nieser. Ein Klassiker.
Alles wird ruhig,
denn Herr Schwade spricht nicht mehr.
Er schaut mich
an, mit seiner Denker-Miene auf wappne ich mich auf einen Spruch,
„Hatschi, mein
Spatzi“, sagt er aber und wirkt dabei wie der Großonkel, den ich nie hatte.
Alle schauen
verdattert, einige kichern, andere halten a sich nicht loszulachen.
Tja, ich bin halt
ein Spatz – ein Sperling. Schließlich bin ich Alex Sparrow.
16/09/12
Talent, Talent, Talant
Am 5. September
haben wir in die DS die Status-Ebenen geübt – mithilfe von improvisierten
Szenen.
So hatte ich bei
unserer Szene die Freundin des Kerls, der das Sonnenstudio, in dem unsere Szene
stattfand, im Hochstatus gespielt – das erste Mal nicht asozial in diesem
Status.
Die meisten
hatten mich bzw. meinen Status sofort erkannt.
Als andere vorkamen sollte das Publikum, indem ich nun saß, die Status-Ebenen der Spieler
erraten. Ich lag meistens richtig, trotz ein paar Uneinigkeiten der
Schauspieler.
Für diese Übungen
standen uns fünf Stühle zur Verfügung, die drei Jungs herbeigeschafft haben.
Am Ende der
Stunden rennen alle in die Umkleide – sie ziehen sich um, da einige es „hässlich“
finden, in schwarz gekleidet zu sein. Echt jetzt?
Da ich mich nicht
umziehen musste, packte ich zwei Stühle und ging zu Herrn Solnitzky, der ins
Klassenbuch eintrug.
„Ich versteh
überhaupt nicht, warum wir noch ein Klassenbuch haben, da jeder Lehrer
anscheinend ein Stundenbericht hat und sich dann beschwert, wenn er ins
Klassenbuch einzutragen hat. Herr Schwade muss zum Beispiel erst gar nicht
eintragen“, brachte ich das Thema auf, nachdem ich Herrn Solnitzky beim
Nachtragen der vorherigen Woche geholfen hatte.
„Das frag ich
mich auch manchmal, weil in der Einführungsphase es schon sowas wie Kurse gibt,
weswegen die Klassenbücher – wie du es sagtest – eigentlich vollkommen sinnlos
sind“, stimmte er mir zu und überreichte mir das gelbe Buch, das ich sofort
untern Arm klemmte. Wieder mit den Stühlen in den Händen, machte ich mich auf
den Weg raus, als Herr Solnitzky noch etwas sagte:
„Man merkt, dass das Talent in der Familie liegt, Alexandra“
„Man merkt, dass das Talent in der Familie liegt, Alexandra“
„Echt?“, wunderte
ich mich laut. Für so gut halte ich mich gar nicht – einige aus der Theater AG sind
um weiten besser als ich.
Er nickte
begeistert, leicht fassungslos.
„Ich kann das
schlecht beurteilen, weil ich das hauptsächlich wegen dem Spaß mache“, gestand
ich ihm.
Zu meiner
Überraschung war er deswegen sehr erfreut. „Das ist doch gut. Sehr gut sogar.“
„Da hat er recht“,
bestätigte mir Mama später zu Hause. „Mit Spaß oder wegen Spaß gibt man sich
doch mehr Mühe.“
Genau dasselbe
hatte er auch gesagt. Und ich hatte mit dem Freudestrahlen nicht aufhören
können.
14/09/12
thumbs up
Seit gestern ist genau ein Monat seit meinem Schulanfang vergangen. Seit einem Monat bin ich also „süße“ 16. Seit einem Monat freue ich mich jedes Mal aufs Neue auf das Wiedersehen meiner zweiten Familie und den Anfang einer neuen DS-Stunde.
Erst heute saß ich mit meiner Mutter im Auto und vertraute ihr an, wie mein Weltbild zum Thema Zeit noch früher aussah:
„Ich weiß noch, als ich in die Fünfte kam, eine obere Schule, kein Grundschüler mehr, man fühlt sich voll erwachsen und reif und fame… Ich hatte die letzten Jahre die Ferien nie erwarten können – daran hat sich nichts geändert, ist ja klar – aber es schien so furchtbar lange, bis sie wieder da waren. Und heute? Da wird einem alles so schmerzlich bewusst – wie die Zeit rast! Heute, seit einem Monat, bin ich 16! Schule läuft seitdem! Ich bin 10. Klässler, ich muss nächstes Jahr meine Abi-Kurse wählen und vorher die Skifreizeit überleben! Ich saß heute da, vollkommen verdattert, weil es schon wieder Freitag war – und das schlimmste ist, ich kann dir ganz genau sagen was gestern passiert war! Ich sehe alle Stunden deutlich vor mir, was wir bisher gemacht haben – und was mich bereits an den Lehrern stört, obwohl es gerade mal ein Monat ist! Das nur weil ich auf einmal diesen beschissenen Durchblick hab! Jeder Tag verstreicht so still und leise – und erst am Ende der Woche bemerke ich es, vollkommen erschöpft und müde von den ganzen Erlebnissen, die immer noch im Hirn sind! Ich sollte mich alt fühlen, weil ich alt bin – aber ich sehe mich immer noch als eine höchstens 13-Jährige: Damals war Tori in der 10., da kann ich doch plötzlich keine sein!“
Okay, das ist nicht die Originalfassung, da so ein Gespräch auf Russisch um einiges komplizierter ist. Jedenfalls für mich. Aber Inhalt stimmt schon.
Aber gut ist, meine Zeit-Probleme sind sowieso ständig allgegenwärtig, also nicht dran denken. Nicht jetzt.
Der eigentliche Grund meines jetzt so komisch abrupten Schreibens ist, dass ich anscheinend Annalena auf eine Idee gebracht habe (Woher? Und WELCHE? *PANIK*) und sie mich wiederum auf (noch) eine.
Als erstes will ich mich dem zweiten Thema widmen, weil ich Reihenfolgen selten befolge.
Ganz oft entdecke ich bei vielen Blogs, egal ob aus meiner Leseliste oder zufällig entdeckt, eine von mir genannte Tiefphase (oder auch gerne einfach nur „Down“). Die Autorin/der Autor des Blogs schreibt, dass er keine Lust mehr aufs Bloggen (oder diesen einen Blog) mehr hat.
Gründe gibt es viele – einige habe ich ja selber durchleben dürfen, siehe zum Beispiel hier – egal, ob es jetzt wirklich an dem Verlust der eigentlichen Lust ist, weil man keine Zeit mehr hat, keine Inspiration, was auch immer. Oder noch schlimmer: man hat Zweifel an sich selbst, an der eigenen Zukunft, an der eigenen Sicherheit, an den Dingen, über die man bloggt.
Einige dieser Down-Punkte kann man leicht überbrücken. Andere sind wiederum schwieriger.
Zum Beispiel hatte/habe ich mit der Angst um meine Sicherheit/Privatsphäre sehr zu kämpfen. Wenn jemand rausfindet, wo ich lebe? Wie mein zweiter Name heißt? Wenn einer meiner Lehrer die Seite findet? Oder der Kerl, über den ich erst letztens so böse geschrieben habe? Oder der zukünftige Chef in drei, vier Jahren? Ich hab immer noch Bammel, aber ich hab mir gesagt: Wen interessiert schon, was ich mache? Es gibt tausende von deutschen Teenage-Mädchen, die ebenfalls bloggen, egal welches Thema. Einige von denen halten sich sehr geheim, andere wiederum haben gleich ihre Facebook-Seite verlinkt – bei weniger als fünf Lesern. Ja, äh, beim Thema bleiben!
Thema „Angst um Sicherheit“ wurde abgehackt – aber mit der Lösung dafür kam ein anderes Problem. Die Zweifel an mir selbst:
Ich bin langweilig, weil ich im Gegensatz zu meinem Umfeld viel lieber am Computer sitze und in tumblr mit Amis schreibe, statt … äh … was auch immer die in meinem Alter auch machen. Ich bin doof, weil ich ständig tausende von Fehler hier rein schütte und sie erst nach Jahrzehnten entdecke und mich dafür in Grund und Boden schäme. Ich bin voll der Besserwisser und ein Orga-Arsch, weil ich sogar meine eigene Fehler korrigiere und dabei jeden Post durchgehe.
Ich bin arm, hab kein Leben, keine Freunde, keinen besonderen Grund zum Bloggen. Vor allem, da all diese Bloggerikonen Spiegelreflex-Kameras, Haufen Schminke, tausend Haustiere und sonst was haben, was ich nicht habe(n kann). So manches macht mich bis heute tierisch neidisch und verleitet mich zu Ohrfeigen, da ich dann meistens provokative Texte dazu schreibe. Man, bin ich böse.
Aber auch da find ich Hilfe: ich bin verhaltenskreativ, ich mach Theater, ich werde ein Certificate machen, ich lebe ein waschechtes Außenseiter-da-Freak-Leben, was nicht für alle guten Geister ist. Außerdem spreche ich bis zu fünf Sprachen, bin nach Geburtsort bestimmend eigentlich Asiatin und der totale Hinterweltler, wenn es um einige Dinge geht. Nicht zu vergessen schreibe ich auch gern – egal ob (Kurz-)Geschichten oder Teile meines Lebens – egal wie kurz oder lang – in Form einer Geschichte. Manchmal lese ich sehr gerne meine eigenen Texte durch…
Dann gab’s aber auch noch andere Themen, die mich sogar fast zum Löschen meines Blogs verleitet hätten.
Aber muss man sowas nicht mal durchmachen? What doesn’t kill you makes you sronger oder so ein Scheiß?
Und jetzt ganz direkt an Annalena, auch wenn du es mittlerweile oft genug von mir lesen durftest: an dich glauben, sich nicht runter kriegen lassen, manchmal auch egoistisch sein und für seine eigene Zufriedenheit kämpfen. Und ja, ich finde selber, dass das so bescheuert pseudo-Lebensweisheiten-Tussi klingt. (Ich hasse sowas.)
Und an deiner Grammatik/Rechtschreibung ist nichts auszusetzen! :D
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