2012/09/18

Spatz


Es ist Donnerstag, erste Stunde, Französisch.
Herr Schwade spricht und spricht, wieder vom Thema abgekommen – bis er wieder zum vorherigen greift. Der hat vielleicht ein Gedächtnis, ich selber kann da kaum mithalten.
Jeden Abend erinnere ich mich daran meine Allergietablette zu nehmen, obwohl es schon längst September ist und es somit eigentlich Schluss sein sollte, aber nein, Alex ist Dauerallergiker. Bis die Tablette aber wirkt dauert ein Stück.
Also sitze ich im Franz-Raum, Gedanken verloren zuhörend – bis ich anfange zu niesen. Wenn ich mich richtig erinnere, waren es drei Nieser. Ein Klassiker.
Alles wird ruhig, denn Herr Schwade spricht nicht mehr.
Er schaut mich an, mit seiner Denker-Miene auf wappne ich mich auf einen Spruch,
„Hatschi, mein Spatzi“, sagt er aber und wirkt dabei wie der Großonkel, den ich nie hatte.
Alle schauen verdattert, einige kichern, andere halten a sich nicht loszulachen.
Tja, ich bin halt ein Spatz – ein Sperling. Schließlich bin ich Alex Sparrow.  

2012/09/16

Talent, Talent, Talant


Am 5. September haben wir in die DS die Status-Ebenen geübt – mithilfe von improvisierten Szenen.
So hatte ich bei unserer Szene die Freundin des Kerls, der das Sonnenstudio, in dem unsere Szene stattfand, im Hochstatus gespielt – das erste Mal nicht asozial in diesem Status.
Die meisten hatten mich bzw. meinen Status sofort erkannt.
Als andere vorkamen sollte das Publikum, indem ich nun saß, die Status-Ebenen der Spieler erraten. Ich lag meistens richtig, trotz ein paar Uneinigkeiten der Schauspieler.
Für diese Übungen standen uns fünf Stühle zur Verfügung, die drei Jungs herbeigeschafft haben.
Am Ende der Stunden rennen alle in die Umkleide – sie ziehen sich um, da einige es „hässlich“ finden, in schwarz gekleidet zu sein. Echt jetzt?
Da ich mich nicht umziehen musste, packte ich zwei Stühle und ging zu Herrn Solnitzky, der ins Klassenbuch eintrug.
„Ich versteh überhaupt nicht, warum wir noch ein Klassenbuch haben, da jeder Lehrer anscheinend ein Stundenbericht hat und sich dann beschwert, wenn er ins Klassenbuch einzutragen hat. Herr Schwade muss zum Beispiel erst gar nicht eintragen“, brachte ich das Thema auf, nachdem ich Herrn Solnitzky beim Nachtragen der vorherigen Woche geholfen hatte.
„Das frag ich mich auch manchmal, weil in der Einführungsphase es schon sowas wie Kurse gibt, weswegen die Klassenbücher – wie du es sagtest – eigentlich vollkommen sinnlos sind“, stimmte er mir zu und überreichte mir das gelbe Buch, das ich sofort untern Arm klemmte. Wieder mit den Stühlen in den Händen, machte ich mich auf den Weg raus, als Herr Solnitzky noch etwas sagte:
„Man merkt, dass das Talent in der Familie liegt, Alexandra“
„Echt?“, wunderte ich mich laut. Für so gut halte ich mich gar nicht – einige aus der Theater AG sind um weiten besser als ich.
Er nickte begeistert, leicht fassungslos.
„Ich kann das schlecht beurteilen, weil ich das hauptsächlich wegen dem Spaß mache“, gestand ich ihm.
Zu meiner Überraschung war er deswegen sehr erfreut. „Das ist doch gut. Sehr gut sogar.“
„Da hat er recht“, bestätigte mir Mama später zu Hause. „Mit Spaß oder wegen Spaß gibt man sich doch mehr Mühe.“
Genau dasselbe hatte er auch gesagt. Und ich hatte mit dem Freudestrahlen nicht aufhören können. 

2012/09/14

thumbs up


Seit gestern ist genau ein Monat seit meinem Schulanfang vergangen. Seit einem Monat bin ich also „süße“ 16. Seit einem Monat freue ich mich jedes Mal aufs Neue auf das Wiedersehen meiner zweiten Familie und den Anfang einer neuen DS-Stunde.
Erst heute saß ich mit meiner Mutter im Auto und vertraute ihr an, wie mein Weltbild zum Thema Zeit noch früher aussah:
„Ich weiß noch, als ich in die Fünfte kam, eine obere Schule, kein Grundschüler mehr, man fühlt sich voll erwachsen und reif und fame… Ich hatte die letzten Jahre die Ferien nie erwarten können – daran hat sich nichts geändert, ist ja klar – aber es schien so furchtbar lange, bis sie wieder da waren. Und heute? Da wird einem alles so schmerzlich bewusst – wie die Zeit rast! Heute, seit einem Monat, bin ich 16! Schule läuft seitdem! Ich bin 10. Klässler, ich muss nächstes Jahr meine Abi-Kurse wählen und vorher die Skifreizeit überleben! Ich saß heute da, vollkommen verdattert, weil es schon wieder Freitag war – und das schlimmste ist, ich kann dir ganz genau sagen was gestern passiert war! Ich sehe alle Stunden deutlich vor mir, was wir bisher gemacht haben – und was mich bereits an den Lehrern stört, obwohl es gerade mal ein Monat ist! Das nur weil ich auf einmal diesen beschissenen Durchblick hab! Jeder Tag verstreicht so still und leise – und erst am Ende der Woche bemerke ich es, vollkommen erschöpft und müde von den ganzen Erlebnissen, die immer noch im Hirn sind! Ich sollte mich alt fühlen, weil ich alt bin – aber ich sehe mich immer noch als eine höchstens 13-Jährige: Damals war Tori in der 10., da kann ich doch plötzlich keine sein!“
Okay, das ist nicht die Originalfassung, da so ein Gespräch auf Russisch um einiges komplizierter ist. Jedenfalls für mich.  Aber Inhalt stimmt schon.
Aber gut ist, meine Zeit-Probleme sind sowieso ständig allgegenwärtig, also nicht dran denken. Nicht jetzt.

Der eigentliche Grund meines jetzt so komisch abrupten Schreibens ist, dass ich anscheinend Annalena auf eine Idee gebracht habe (Woher? Und WELCHE? *PANIK*) und sie mich wiederum auf (noch) eine.
Als erstes will ich mich dem zweiten Thema widmen, weil ich Reihenfolgen selten befolge.
Ganz oft entdecke ich bei vielen Blogs, egal ob aus meiner Leseliste oder zufällig entdeckt, eine von mir genannte Tiefphase (oder auch gerne einfach nur „Down“). Die Autorin/der Autor des Blogs schreibt, dass er keine Lust mehr aufs Bloggen (oder diesen einen Blog) mehr hat.
Gründe gibt es viele – einige habe ich ja selber durchleben dürfen, siehe zum Beispiel hier – egal, ob es jetzt wirklich an dem Verlust der eigentlichen Lust ist, weil man keine Zeit mehr hat, keine Inspiration, was auch immer. Oder noch schlimmer: man hat Zweifel an sich selbst, an der eigenen Zukunft, an der eigenen Sicherheit, an den Dingen, über die man bloggt.
Einige dieser Down-Punkte kann man leicht überbrücken. Andere sind wiederum schwieriger.
Zum Beispiel hatte/habe ich mit der Angst um meine Sicherheit/Privatsphäre sehr zu kämpfen. Wenn jemand rausfindet, wo ich lebe? Wie mein zweiter Name heißt? Wenn einer meiner Lehrer die Seite findet? Oder der Kerl, über den ich erst letztens so böse geschrieben habe? Oder der zukünftige Chef in drei, vier Jahren? Ich hab immer noch Bammel, aber ich hab mir gesagt: Wen interessiert schon, was ich mache? Es gibt tausende von deutschen Teenage-Mädchen, die ebenfalls bloggen, egal welches Thema. Einige von denen halten sich sehr geheim, andere wiederum haben gleich ihre Facebook-Seite verlinkt – bei weniger als fünf Lesern. Ja, äh, beim Thema bleiben!
Thema „Angst um Sicherheit“ wurde abgehackt – aber mit der Lösung dafür kam ein anderes Problem. Die Zweifel an mir selbst:
Ich bin langweilig, weil ich im Gegensatz zu meinem Umfeld viel lieber am Computer sitze und in tumblr mit Amis schreibe, statt … äh … was auch immer die in meinem Alter auch machen. Ich bin doof, weil ich ständig tausende von Fehler hier rein schütte und sie erst nach Jahrzehnten entdecke und mich dafür in Grund und Boden schäme. Ich bin voll der Besserwisser und ein Orga-Arsch, weil ich sogar meine eigene Fehler korrigiere und dabei jeden Post durchgehe.
Ich bin arm, hab kein Leben, keine Freunde, keinen besonderen Grund zum Bloggen. Vor allem, da all diese Bloggerikonen Spiegelreflex-Kameras, Haufen Schminke, tausend Haustiere und sonst was haben, was ich nicht habe(n kann). So manches macht mich bis heute tierisch neidisch und verleitet mich zu Ohrfeigen, da ich dann meistens provokative Texte dazu schreibe. Man, bin ich böse.
Aber auch da find ich Hilfe: ich bin verhaltenskreativ, ich mach Theater, ich werde ein Certificate machen, ich lebe ein waschechtes Außenseiter-da-Freak-Leben, was nicht für alle guten Geister ist. Außerdem spreche ich bis zu fünf Sprachen, bin nach Geburtsort bestimmend eigentlich Asiatin und der totale Hinterweltler, wenn es um einige Dinge geht. Nicht zu vergessen schreibe ich auch gern – egal ob (Kurz-)Geschichten oder Teile meines Lebens – egal wie kurz oder lang – in Form einer Geschichte. Manchmal lese ich sehr gerne meine eigenen Texte durch…
Dann gab’s aber auch noch andere Themen, die mich sogar fast zum Löschen meines Blogs verleitet hätten.
Aber muss man sowas nicht mal durchmachen? What doesn’t kill you makes you sronger oder so ein Scheiß?
Und jetzt ganz direkt an Annalena, auch wenn du es mittlerweile oft genug von mir lesen durftest: an dich glauben, sich nicht runter kriegen lassen, manchmal auch egoistisch sein und für seine eigene Zufriedenheit kämpfen.  Und ja, ich finde selber, dass das so bescheuert pseudo-Lebensweisheiten-Tussi klingt. (Ich hasse sowas.)
Und an deiner Grammatik/Rechtschreibung ist nichts auszusetzen! :D

2012/08/29

Füße sind unnütz

Was hat er gerade gerufen? Unser DS-Lehrer, Herr Solnitzky, ruft uns während des neutralen Laufens Eigenschaften oder Situationen zu, die wir mit dem Laufen verdeutlichen sollen.
Zum Beispiel sind wir durch Sand gewatet und auf einer glatten Fläche herumgerutscht. Alles noch einfach und gut.
Aber: Füße sind unnütz? Nicht sein Ernst, oder?
Mein erster Gedanke ist Jan, der Füße hasst. Dann Mort, der Füße liebt.
Da Füße unnütz sind, gehe ich auf die Knie und watschele so weiter, während die anderen ihr eigenes Ding durchziehen.
Schließlich bemerkt mich Patrick, wie ich auf den Knien durch die Turnhalle meinen Weg ziehe. Er fängt an zu lachen, zieht somit die Aufmerksamkeit der anderen auf mich.
Und was mach ich?
Einfach weiter laufen. Haters gonna hate.

2012/08/10

offizielles Ferienende

Nun ist mein neuntes Schuljahr vorbei.
Kein Praktikum mehr, keine drei stunden Politik & Wirtschaft mehr, kein Spanisch mehr.
Dafür aber DS (= Darstellendes Spiel) und Informatik, bei dem ich hoffentlich vieles Interessantes erlerne (damit meine ich Basiswissen HTML fürs Webdesign).
Außerdem hoffe ich, dass ich dann weder Biologie noch Chemie haben werde, wobei das eher unwahrscheinlich ist, aber okay. Man darf noch träumen.
Im neuen Schuljahr – als Zehntklässlerin *schluck* – gibt’s auch die Skifreizeit – sowas wie eine Klassenfahrt, bloß für den ganzen Jahrgang.
Skifahren (hoffentlich in einer ganz guten Gruppe) und Abschlussfete.
Das wird auch das letzte Jahr sein, dass ich eine Klasse habe – dann gibt es nur noch Kurse, die ich dann auch noch wählen muss. Himmel.
Außerdem sind dann Carina und Lena in der USA, Gabriel und Valentina haben die Schule gewechselt und wenn wir Pech haben, werden wir in die anderen Klassen gemischt, da wir dann nur noch 18 sind...
Tori wird dann auch noch Abitur machen, mit ihrem Abistreich und Sportfest und Fußballwettbewerb. Oh Gott.

Wann haben wir es geschafft so alt zu werden?
Ich fühl mich doch immer noch wie 13 oder 14… wenn nicht jünger!

Und ein Nelson-Haha an mich selbst: der erste Schultag ist an meinem Geburtstag. Ich bin echt ein Opfer.

NACHWORT

In diesem Moment müsste ich Berlin verlassen habe. Fahre wieder mit einer Mitfahrgelegnheit nach Hause; zwar nicht direkt, aber ist auch gut so. Falls ich verloren gehe: Sucht nach einer gewissen Tanja (@Jenny: Tanja. Was zum Teufel machte er hier? ;P)!  
Außerdem weiß ich schon, wer mein neuer Klassenlehrer ist (leider) UND dass die alte Klasse so bleibt, wie sie ist. 
Joar. 
Schönes Wochenende noch? 

2012/07/27

Rückblende: Ferienanfang bis heute

Der Urlaub in Spanien war ganz schön, Bilder sind hier zu bestaunen, und ja, ich musste Spanisch sprechen.  Zwar hauptsächlich beim „Shoppen“ (und das waren eintrainierte Vokabeln, höhö) und an den letzten zwei Tagen, weil Mama unserem lieben ich-lass-sie-in-den-Speisesaal-Typ erzählt hat, dass ich geschlagene zwei Jahre Spanisch gelernt habe, während er mit Spanisch aufgewachsen ist. Sprich: Am Ende haben wir uns über schlechte Lehrer und das Schulsystem unterhalten (Gottseidank auf Deutsch!). Und einmal, wirklich nur einmal, musste ich mein Fünkchen Französisch verwenden, weil ein Verkäufer aus Marokko war. Nachdem ich mich blamiert habe, habe ich mich extra für das Wiedersehen vorbereitet.
Am Strand habe ich mir meine Fußsohlen verbrannt und wurde am zweiten Tag von einer riesigen Welle von einem Felsen weggespült – und hab als Andenken eine feine Narbe am Daumen behalten.
Ich war mehrmals auf dem Weg des Lebens – ein Rundgang um ein Privatschloss direkt am Strand. Dort hab ich auch kleine Krabben und einen Gecko gesehen – und am frühen Morgen Obdachlose. :/
In Barcelona hab ich Papageie, die mit Möwen und Tauben abhängen, gesehen – haufenweise Papageie, auch noch schlau und hinterhältig!
Die Rückreise hab ich übrigens beinahe komplett verschlafen :D


Taizé war für mich eine gute Zeit. Teilweise super, aber nicht alles perfekt.
Die negativen Sachen will ich auch erst gar nicht erwähnen – mein Gott, wer will schon über die Zustände der Toiletten und Klos wissen?
Aber die positiven Dinge dieser Woche möchte ich natürlich „auf ewig“ festhalten (okay, aufschreiben):
Der Gottesdienst ist total schön. Jeder sitzt, alle sind ruhig, Kerzen leuchten, Ikonen hängen an den Wänden, viele Lieder werden gesungen. Nicht nur, dass das Gesangsbuch schöne Texte enthält, nein, sondern auch in unterschiedlichen Sprachen – von Englisch bis Litauisch. Nicht zu vergessen die zehn Minuten Stille. Da kann man so gut nachdenken!
Die meisten Brüder, die ich kennen lernen durfte (egal ob persönlich oder aus den Berichten andrer) sind extrem cool drauf – trotz der Tatsache, dass sie Geistliche sind, was ja bei vielen (auch bei mir) sofort ein Vorurteil (= langweilig) hervorruft.
Das Essen war größtenteils lecker, nur einmal habe ich mich zum Essen zwingen müssen – aber Geschmäcker sind unterschiedlich, nicht wahr? Was ich besonders witzig (und gleichzeitig traurig) fand, war die Tatsache, dass es nur Löffel gab. Keine Gabeln, keine Messer – nur Löffeln. Wieso? Weil (glaub ich) 2004 Bruder Roger während eines Gottesdienstes erstochen wurde und seitdem gibt es nur noch Löffel. Außerdem gibt es keine Becher, sondern Schüsseln – und das Wasser kommt aus einem Art Springbrunnen (keine Ahnung, wie ich das nennen soll); das Wasser schmeckt leicht nach Chlor und wenn man zu viel davon trinkt, wird einem, tja, schlecht.
Oyak war auch cool – jeden Abend sowas wie „Party“, mit Cidre, heiße Schokolade und natürlich so Spielen wie Funky Chicken (Lukas: „Chunky Ficken!“) und Ähnliches. Die Spanier haben auch gerne „internationale“ Lieder gespielt.


Während dieser Woche durfte ich neben Deutsch und Englisch auch Französisch und (jetzt kommt’s) Russisch sprechen – hätte ich nicht erwartet, bin aber (immer noch!) positiv überrascht.
Tatsächlich habe ich viele neue Bekanntschaften schließen können – seien es unsere deutschen Zeltnachbarn oder die aus Litauen stammenden Mitglieder der Bibeleinführungsgruppe.
Das Beste waren immer noch die bescheuerten Abende mit Xenia, Lukas und Theresa. („Hab ich überhaupt ne Hose an?“)
Ach und ich hab einen netten Engländer kennen lernen dürfen, George, dem wir ein bisschen Deutsch beigebracht haben (Mein Name ist George und... Kaff!). Nicht zu vergessen die Franzosin Bettina, die hervorragend Englisch spricht und Deutsch lernt, die Belgierin (verdammte Namen -_- :D) mit dem perfekten Englisch und dem Harry Potter-Typ aus Schweden :D


Und wieso ich das plötzlich alles schreibe, das Negative weglassend?
Theresa hat mich vorhin angeschrieben und ich freu mich immer noch, weil die witzigen, aber auch ernsten Gespräche mit ihr in Taizé toll waren.

So... und heute?
Heute muss ich mich fertig machen (Moment, das klingt, als ob ich mich selber runterziehen würde) meine Tasche packen, denn morgen werde ich um acht Uhr von einer Mitfahrgelegenheit nach Berlin gebracht, wo ich Xenia zur Hand gehen soll. :) 
Ja, ich freu mich. 

2012/07/22

zehn Jahre deutsch

Vor genau zehn Jahren setzte sich meine Familie ins Flugzeug nach Deutschland.
Ich kann mich nicht wirklich an alles erinnern – meine Güte, ich war noch nicht mal sechs Jahre alt – aber ich glaube, die Angst vorm Fliegen hatte ich nicht (falls ich überhaupt verstanden habe, dass wir fliegen).
Ich erinnere mich aber an drei Lager – einen, mit einer schönen Stadt und einem tollen Spielplatz, einen mit weißem Sand und einen mit Wildschweinen im nahen Wald.
Ich erinnere mich an den ersten Deutschsprechenden, der mich veräppelt hat: „Kostet das was?“ – „Ja.“ – „Och nö, jetzt-“ – „Nein, Scherz, es ist kostenlos!“  
An Kirchenglocken und das Lied Bruder Jakob.
An eine weiße Marmorstatue.
Angst, vor dem Wald.
Flurlicht, das automatisch angeht, wenn man in den Flur geht, den ich auszutricksen versuchte.
All das durch den Schleier eines dummen und naiven Kindes.

Ich erinnere mich an den Kindergarten, wo ich Deutsch erlernte und am Anfang erst durch Handzeichen klar kam. Irgendwann war ich selber Dolmetscher für neue, russischsprechende Kinder.
Ich erinnere mich an Teletubbies, Simsalabim Sabrina, der Bär im blauen Haus und vieles mehr.
Wie Tori von einem deutschen Blödmann mit einem Stein abgeworfen wurde.
Ich erinnere mich an Deutschnachhilfeunterricht, an einen „Deutschclub“ und den wunderbaren Hort.

An unsere Wohnung mit unserem orangen Balkon. Meine Barbievilla von Tori gebaut. Unser blauer Aufblassessel.
Mama, die sich für ihr Deutsch schämt, aber trotzdem weiterspricht.
Tori, die Deutsch-LK genommen hat.
Papa, der sich über mein schlechtes Russisch lustig macht.
Xenia, die mich korrigiert.
Wie ich Zeitungen lese, dabei aber keine dieser hohen Ausdrücke verstehe, trotzdem mitfühlend nicke.
An den Vater eines Freundes, der mich ernsthaft gefragt hat, wo genau ich in Deutschland geboren bin – und überrascht war, als ich ihm sagte, ich sei in Kasachstan geboren, woraufhin er mein gutes Deutsch gelobt hat.
Wie ich im Bett sitze, Bücher lese und dadurch anfing zu schreiben – auf Deutsch.

In diesen zehn Jahren habe ich die Geschichte Deutschlands kennengelernt, Papa zu Wahlen begleitet, Fasching gefeiert, ebenso Halloween. Weihnachten nun wirklich immer am 24. Dezember.

Auch wenn ich wirklich Deutsche bin, sehe ich mich als keine an.
Klar, diese lächerlichen Zahlen können ausschlaggebend sein – aber zehn ist für mich klein.
Selbst wenn ich 50 Jahre hier verbringen würde, ich sehe mich immer noch nicht als Deutsche.
Aber auch nicht als Russin oder Kasachin.
Aber das ist mein Problem. 

2012/07/17

Mein Name ist Horst – das L steht für Gefahr

Richtig gelesen: Ich heiße Horst.

Okay, nicht offiziell – ich bin immer noch Alex. Und immer noch bescheuert. So freue ich mich zum Beispiel über neue Namen, egal, ob sie eine tiefsinnige Bedeutung haben oder nicht.
Hauptsache sie sind nicht beleidigend.
Nun, als ich das erste Mal bei der Theaterwerkstatt von Meiningen war, hatte Kevin irgendwann aus heiterem Himmel angefangen mich Horst zu nennen. Wie  er darauf kam* weiß ich nicht (mehr), aber mir war’s egal und ich hörte einfach auf Horst – was für viele, die gerade erst eben meinen richtigen Namen bzw. Spitznamen auswendig gelernt haben, eine Tortur war („Hä, ich dachte, die heißt Alex?“ – „Und ich dachte, Horst sei ein Männername?“).
Auch nach dem Meininger Wochenende behielt ich diesen witzigen, altdeutschen Männernamen.Mittlerweile nennen mich auch einige andere aus unserer Theaterfamilie Horst – weswegen ich mich auch für diesen Namen entschieden habe, als wir uns unsere Spielfieber-Shirts bestellt haben.Jetzt trage ich ein schwarzes T-Shirt, mit der Aufschrift Anführungszeichen-Horst-Anführungszeichen.
Und verdammt, das T-Shirt ist bequem.
 *Aber seitdem habe ich einen Lieblingswitz: Wohin fliegt der schwule Adler? Zu seinem Horst!